Ein Wirtschaftsstrafverfahren im Bereich des „Abrechnungsbetruges im Gesundheitswesen“.

Abrechnungsbetrug ist ein Sammelbegriff für spezielle Ausformungen des Betruges im Rahmen des deutschen Gesundheitswesens, bei denen Ärzte, Zahnärzte, Krankenhäuser oder sonstige Leistungserbringer Vergütungen für nicht erbrachte Leistungen erlangen oder bei dem Apotheker, Sanitätshäuser oder sonstige Leistungserbringer der Hilfsmittelversorgung mittels einer Täuschung Vergütungen für nicht erbrachte Lieferungen kassieren.

Großverfahren in diesem Bereich sind umfangreich und benötigen sehr viel Zeit.
Im vorliegenden Fall handelte es sich um einen Pflegedienst mit Standorten in Bremerhaven und im Landkreis Cuxhaven, der neben den pflegerischen Leistungen auch „Betreutes Wohnen“ anbot.
Ende 2013 wurden die ersten Strafanzeigen von den Krankenkassen erstattet. Inhalt waren Unregelmäßigkeiten in der Abrechnung, aber nicht in der Qualität der pflegerischen Leistungen.

Zunächst wurden die vorliegenden Erkenntnisse koordiniert, Absprachen mit den zuständigen Staatsanwaltschaften und Dienststellen mussten getroffen werden. Letztendlich wurde das Verfahren bei der Staatsanwaltschaft Bremen angesiedelt und von einer Staatsanwältin mit entsprechendem Fachwissen für diesen Bereich geführt. Ein großer Vorteil. Wie häufig in Wirtschaftsstrafverfahren mussten sich die Sachbearbeiter der Kriminalpolizei erst intensiv in die Materie einarbeiten. Nach ersten Ermittlungen und Vorbereitungen wurden im Juni 2014 die Räumlichkeiten des Dienstes in Bremerhaven und im Landkreis mit ca. 70 Polizeibeamten durchsucht. Es wurden 40 Kartons mit je 10 Aktenordnern und 8 Terrabyte an Daten gesichert. Soweit möglich wurden die Mitarbeiter vor Ort vernommen.

Nach diesen Maßnahmen begannen einige Tage später die Auswertungen. Die Beweismittel wurden gesichtet. Auf Basis der bisherigen Erkenntnisse wurden Ziele, Meilensteine und erste Ermittlungskomplexe in Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft festgelegt.

Priorisiert wurde zunächst der Bereich der „Verhinderungspflege“. Das heißt, die eigentlich pflegenden Personen sind verhindert und übertragen einem Pflegedienst für einen bestimmten Zeitraum diese Aufgaben.
Insgesamt wurden in einem Zeitraum von 3 Wochen 110 Vernehmungen durchgeführt. Die Ergebnisse der Befragungen führten zur Einleitung einer hohen Anzahl von Strafverfahren. Anfang 2015 entschlossen wir uns, die Pflegedienstleitungen zu vernehmen. Diese Aussagen brachten den Stein dann so richtig ins Rollen. Am Ende hatten viele Mitglieder der Pflegedienstleitungen umfangreiche und in der Sache substantielle Angaben gemacht, obwohl sie Beschuldigte im Strafverfahren waren und somit ein Aussageverweigerungsrecht gehabt hätten.

2015 konnte der erste Abschnitt der Untersuchungen an die Staatsanwaltschaft versandt werden. Es waren 39 prall gefüllte Aktenordner.

Im Verlaufe der Jahre 2015 und 2016 wurden weitere Ermittlungsbereiche abgeschlossen. Es ergab sich ein komplexes und detailliertes Bild zur manipulierten Abrechnung.

Insgesamt wurden 6 Verfahrenskomplexe mit einem Umfang zwischen 18-40 Aktenordnern behandelt. Ermittelt wurde bei Banken, Sozialämtern, Krankenkassen, Betreuern, Privatpersonen und Angestellten der Firma. Am Ende des Verfahrens hatten die mit den Nachforschungen betrauten Kriminalisten 2900 Dateien mit einem Datenvolumen von 6,5 Gigabyte angelegt.

Im September 2016 wurde die Geschäftsführerin aufgrund fortgesetzter betrügerischer Abrechnung in Untersuchungshaft genommen. Diese dauerte über das abgeschlossene Gerichtsverfahren hinaus bis Dezember 2016 an.

Sie wurde zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren verurteilt.

Gegen weitere 35 Mitarbeiter des Pflegedienstes wurden Verfahren eingeleitet.

Die Firma wurde zwischenzeitlich veräußert.

Die letzten Verfahren wurden Ende 2017 abgeschlossen.