2017 entwickelte sich in Bremerhaven ein Problem, welches uns bis an die Grenze der Belastbarkeit führen sollte. Die Anzahl der festgestellten Brände hatte sich binnen kürzester Zeit verdoppelt. Die durch die Brände verletzten Personen und die hohen Sachschäden in Millionenhöhe lösten bei den Bürgerinnen und Bürgern Bremerhavens eine große Verunsicherung aus. Viele hatten Angst, selbst Opfer eines Brandes zu werden. Und auch wir, die wir zu einem großen Teil selbst in Bremerhaven leben, waren betroffen und besorgt. Fast zwei Jahre dauerten die umfangreichen polizeilichen Maßnahmen und die Ermittlungen der Soko „Feuer“ an.

Im Regelfall begegnet die Polizei einem solchen Phänomen mit der Bildung einer BAO, einer „Besonderen Aufbauorganisation“, um die Situation mit mehr Personal, dem Zusammenführen der Ausrüstung und veränderten Zuständigkeiten effektiver bewältigen zu können. Die Brände, die uns von 2017 bis 2019 in Bremerhaven beschäftigten, mussten sogar in zwei zeitlich kurz aufeinander folgenden BAOen bearbeitet werden. Viele von Ihnen erinnern sich wahrscheinlich an die Berichte der Soko „Feuer“ in den Medien. Unsere polizeilichen Maßnahmen wurden von der Feuerwehr flankiert und unterstützt. Daneben erfasste eine eigens ins Leben gerufene Lenkungsgruppe beim Magistrat die sogenannten Problemimmobilien in der Stadt. Am Ende konnten die vielen Brandursachen, die neben natürlichen Ursachen wie Blitzeinschlag und technischen Defekten auch fahrlässige und vorsätzliche Brandlegungen umfassten, bestimmt und mehrere Brandstifter überführt werden.

Was zunächst als einzelne Mülleimerbrände und mit dem Abbrennen von verfallenen, unbewohnten Parzellenhäuschen begann, steigerte sich zunehmend zu einer Vielzahl von Brandlegungen im Stadtteil Lehe. Hier entzündeten Täter zur Nachtzeit im Erdgeschoss der frei zugänglichen Hausflure von Mehrfamilienhäusern Sperrmüll, Kinderwagen oder Zeitungsstapel. Die Brände entwickelten sich regelmäßig zu einer großen Gefahr für die Bewohner. Auch wenn die Flammen die hölzernen Treppen und Geländer nicht immer erfasst hatten, entstand durch die offenen Feuer doch regelmäßig so viel Rauch, dass die Mieter die Häuser über die Treppen nicht mehr verlassen konnten und von der Feuerwehr durch die Fenster gerettet werden mussten. In zwei schweren Fällen sahen sich Menschen so in Not, dass sie sich mit einem Sprung aus dem Fenster vor dem Feuer retten wollten. Eine Frau aus der Wülbernstraße erlitt dabei schwere Verletzungen. In einem anderen Fall warf eine Mutter ihr Baby aus dem Fenster in die Arme eines Passanten, der das Kind unverletzt auffangen konnte.

Die Brandstifter ließen sich indes durch die steigende Dramatik nicht abschrecken, sondern begingen in unregelmäßigen Abständen neue Taten. In einem weiteren Fall begaben sich die Täter durch den Hausflur auf den Hof und brachten von dort erst einen Wäscheständer in das Treppenhaus, um diesen dort in Brand zu setzen. Die Hoftür schlossen sie wieder ordnungsgemäß, damit der von ihnen verursachte Brand seine Wirkung nicht verfehlte. Wie in den meisten Fällen war auch hier das Glück auf Seiten der Hausbewohner, welches diese vor ernsten Verletzungen bewahrte. Dennoch mussten bei vielen Bränden die Bewohner wegen einer Rauchvergiftung im Krankenhaus behandelt werden.

Durch häufige Nachfragen aus der Politik und die umfangreiche Berichterstattung in den Medien entstand großer öffentlicher Druck, der auf den polizeilichen Ermittlern lastete. Erschwerend kam hinzu, dass unsere Erkenntnisse darauf hinwiesen, dass nicht nur ein Tatverdächtiger zu ermitteln war. Neben den Bränden in Mehrfamilienhäusern agierten weitere Brandstifter, die zu nächtlicher Zeit Wohnungen, Gartenlauben oder Carports entzündeten und Mülleimer oder Altkleidercontainer in Flammen setzten. Zu allem Überfluss war in Wulsdorf noch eine Serie von PKW-Bränden zu verzeichnen. Diese qualifizierten sich dadurch, dass in Brand gesetzte Fahrzeuge teilweise unter Carports standen, über die das Feuer auf die benachbarten Häuser übergriff und damit die schlafenden Bewohner in Lebensgefahr brachte.

Als eines Tages die Festnahme eines Tatverdächtigen erfolgte, der nachweislich für zahlreiche Parzellenbrände im Eckernfeld verantwortlich war und im Polizeigewahrsam auf seine Vorführung beim Richter wartete, stieg aus dem Eckernfeld eine riesige Rauchsäule empor. Wir trauten unseren Augen nicht, als wir den aufsteigenden schwarzen Rauch wie ein Mahnmal aus unseren Bürofenstern des Stadthauses beobachteten: erneut hatte ein ganz anderer Täter ein Parzellenhäuschen in Flammen aufgehen und damit erkennen lassen, dass unsere Arbeit noch lange nicht zu Ende war.

Der Bedarf an polizeilichen Maßnahmen war so hoch, dass Mitarbeiter des Landeskriminalamtes aus der Schwesterstadt Bremen die Ermittlungsarbeit der Soko „Feuer“ in Bremerhaven unterstützten. Beamte der Bereitschaftspolizei halfen den operativen Einheiten bei nächtlichen Streifenfahrten, Kollegen von Auswertedienststellen übernahmen Internetrecherchen, erstellten operative Fallanalysen zu den Persönlichkeiten der Brandstifter und deren möglichen Motiven und Spezialeinheiten befassten sich mit der Observation von ermittelten Tatverdächtigen. Zusätzlich wurde die Soko „Feuer“ durch einen Kollegen der Bremerhavener Berufsfeuerwehr unterstützt. Wir haben eine Flut von Daten zu jedem einzelnen Fall ausgewertet, Lagebilder erstellt und täglich aktualisiert, die akribische Tatortarbeit weiter verfeinert, intensive Pressearbeit mit Verhaltenshinweisen für die Bevölkerung gesteuert, ihre Hinweise bearbeitet und die umfangreiche Ermittlungsarbeit mit zahlreichen Zeugenvernehmungen und technischen Maßnahmen intensiviert.

Durch die Anstrengungen des gesamten Teams gelang uns letztlich der Erfolg und unsere umfangreichen polizeilichen Maßnahmen und Bemühungen wurden belohnt. Im Laufe der Ermittlungen konnten mehr als fünf voneinander unabhängig agierende Brandstifter überführt und festgenommen werden. Bei ihnen handelte es sich überwiegend um junge Männer im Alter zwischen 15 und 36 Jahren, von denen einige bereits zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt wurden. Das Wichtigste jedoch: die Anhäufung der Brände in Bremerhaven konnte gestoppt werden.